Wildkatze zum Schnurren und Fauchen - Jaguar F-Type "R" Cabrio AWD

Nachrichten aus den öffentlichen Medien

Moderator: Asgarond

Antworten
Benutzeravatar
Cpt. Jag
Site Admin
Site Admin
Beiträge: 2111
Registriert: Mi 10 Dez, 2014 19:13
Kontaktdaten:

Wildkatze zum Schnurren und Fauchen - Jaguar F-Type "R" Cabrio AWD

Beitrag von Cpt. Jag » Mo 19 Okt, 2015 13:26

Der günstigste Cabrio-Neuwagen in Deutschland kostet derzeit knapp 14.000 Euro. Zehn Mal so viel kann man für einen Jaguar F-Type "R" Convertible AWD ausgeben. Ist er auch zehn Mal so gut?

Bild

Porsche nachzuahmen ist grundsätzlich keine schlechte Idee. Ein Modell, viele Varianten, das läuft beim 911er prima. Mit der Hervorbringung des F-Types hat Jaguar sich dieses Prinzip zu eigen gemacht. Inzwischen sind es elf Versionen, aus denen der Kunde wählen kann. Es gibt ihn mit sechs oder acht Zylindern, als Coupé oder Cabriolet, mit Heck- oder Allradantrieb. Und es gibt ihn als "R"-Version, die alles, was gut und teuer ist, in sich vereint: großvolumiger V8, bewegliches Stoffdach und 4x4-Antrieb. Unter 120.000 Euro ist da nichts zu machen, wenn man das natürlich aufpreispflichtige Windschott mit an Bord haben möchte. Bei Porsche gibt es das gratis.

Der F-Type hat es im Nu zu einem Bestseller gebracht. Hierzulande wird nur noch der XF stärker nachgefragt. Mehr als 40 Prozent der Kunden bestellten bis Ende September ein Cabrio, die Coupés eingeschlossen ist jeder vierte F-Type ein Allradler. Als legitimer Nachfahre eines E-Type überlappt die Fronthaube des Zweisitzers die Radhäuser und wird in Fahrtrichtung aufgeklappt. Rasse und Eleganz sind in klar akzentuierten Linien miteinander verschmolzen. Kurze Überhänge, versenkte Türgriffe, das sich wie ein Bootsrumpf verjüngende Heck und der fast waagerechte Kofferraumdeckel fügen sich zu einer sinnlichen Oktan-Skulptur. Es ist "das Auto, das wir immer machen wollten", sagt Matt Baeven aus dem Team um Designchef Ian Callum.



Engsitzender Cockpit-Anzug

"Downsizing ist was für Feiglinge", scheint der fünf Liter große V8 zu fauchen, wenn der Startknopf gedrückt wird. Geht es nicht eine Nummer dezenter? Einem wild verspoilerten 80er-Jahre-Camaro würde man den übertriebenen Gasstoß beim ersten Zünden sicher noch verzeihen. Wer aus einem Land stammt, wo Understatement zu den wichtigsten Kultur- und Exportgütern gehört, braucht nicht so lautmalerisch aufzutrumpfen. Vornehme Zurückhaltung kann sich der F-Type "R" schon deshalb leisten, weil seine inneren Werte über jeden Zweifel erhaben sind. 550 kompressorgestärkte PS, 680 Newtonmeter Durchzugskraft, 300 km/h Spitze – wer wollte sich damit anlegen?

Das edel möblierte Cockpit sitzt fast so körperbetont wie ein Neoprenanzug. Wie seinerzeit beim E-Type ist der Drehzahlmesser rechts, der Tacho links angeordnet, Kontrastnähte auf der Abdeckung und rings um die Konsole geben dem Interieur den Hauch des Besonderen. Die Lüftungslamellen oberhalb des Monitors sind nur sichtbar, wenn sie gebraucht werden, andernfalls verschwinden sie bündig in den Tiefen des Armaturenbretts. Zur Serienausstattung gehören die R-Performance-Sitze, deren anschmiegsame Konstruktion zwei Öffnungen im Schulterbereich enthält, durch die Sechspunkt-Gurte gelegt werden könnten. Wer das Sitz-Memory-Paket für 1700 Euro bestellt, bekommt zusätzlich verstellbare Wangen, die bis auf die schraubstockartige Enge einer echten Rennschale eingestellt werden können.


Einfache Bedienarchitektur

Die einst immer wieder kritisierte Bedienarchitektur des Infotainment-Systems hat Jaguar von Grund auf überarbeiten lassen. Die Touchscreen-Steuerung ist nunmehr einfacher, übersichtlicher und auch die Qualität der Grafik wurde verbessert. Allerdings bietet das System noch immer Potenzial für Optimierungen. So ließen sich zum Beispiel bei der Ziel-Programmierung via Postleitzahl bestimmte Straßen in dem Zustellbezirk gar nicht anwählen – ein Problem, das mit dem nächsten Software-Update in den Griff zu bekommen sein dürfte.

Gut gelöst ist die Klima-Steuerung, wo kombinierte Dreh- und Drücksteller Temperatur-Regelung, Gebläse und Sitzheizung zusammenfassen. Entgegen der erwartbaren Logik funktioniert die Taste für das elektrische Verdeck: Zum Öffnen muss man sie nach vorn drücken, zum Schließen nach hinten ziehen. Also genau anders herum, als die Stoffmütze funktioniert. Inklusive der Bewegung der Seitenscheiben ist die Haube in 15 Sekunden geschlossen oder wieder hinter den Kopfstützen verstaut.

Da sich die Zugluft in Grenzen hält, ist das Offenfahren im F-Type ein pures Vergnügen. Nur ungern denkt man daran, dass lange Strecken unter freiem Himmel ihren Preis haben – nicht nur bei Jaguar. Der Luftwiderstandsbeiwert eines Cabrios verschlechtert sich durch das geöffnete Dach so erheblich, dass je 100 Kilometer mit einem zusätzlichen Verbrauch von 0,6 bis 0,9 Litern gerechnet werden muss. Die 12,6 Liter Durchschnittsverbrauch, die der Bordcomputer nach ausgiebigen Testfahrten auswarf, sind in diesem Falle eher ein Indiz für anhaltend schönes Wetter als für Bleifuß-Manieren. Wiederholte Versuche, die Wirtschaftlichkeit durch manuelles Schalten in höhere Gänge zu verbessern, sind nicht immer von Erfolg gekrönt. Bei 60 km/h zum Beispiel ist das Getriebe nicht dazu zu bewegen, den siebten Gang zu halten. Aber auch im sechsten rotiert die Kurbelwelle nur noch wenig über Leerlaufdrehzahl.


Akzeptabler Gepäckraum

Der seidige V8 klingt im Normalbetrieb nicht so rotzig wie beim Anlassen, sondern lässt die Wildkatze sanft schnurren. Die Kraft liegt in der Ruhe, die durchaus bis gegen 3000 Touren anhalten kann. Fauchen und Bellen geht auch, der Klappensteuerung der Sport-Abgasanlage sei Dank. Sie gehört ebenso zur Serienausstattung wie das aktive Differenzial mit Torque Vectoring, Stop/Start-System, Sportfahrwerk mit adaptiven Dämpfern, Bi-Xenon-Scheinwerfer mit LED-Tagfahrleuchten und Fußgänger-Schutzsystem. Die beim Testwagen montierte Karbon-Keramik-Bremsanlage kostet inklusive 20-Zoll-Felgen 9720 Euro extra.

Als sei der schwere Motor an Gasballons aufgehängt, ist von seinem Gewicht in der Lenkung nichts zu spüren. Ebenso wenig von Antriebseinflüssen, denn in der Grundabstimmung ist der F-Type heckbetont ausgelegt. Lenkpräzision und Beherrschbarkeit lassen keine Wünsche offen, und obwohl er durchaus Talent zum bissigen Boliden hat, kann er beim Cruisen den komfortablen und lässigen Softie geben.

Der Stauraum ist konstruktionsbedingt begrenzt, doch immerhin steht in offenem und geschlossenem Zustand das gleiche Volumen zur Verfügung. Es sind annähernd 200 Liter. Zwar muss man beim Befüllen des Kofferraums eine hohe Kante überwinden, doch mit etwas Geschick und unter Ausnutzung der tiefen Mulde zwischen den Auspuff-Schalldämpfern kann man zwei Bordtrolleys und etwas Kleinkram verstauen. Die Feststellung dessen, welche Masse aus Menschen und Material im F-Type 5.0 AWD tatsächlich transportiert werden darf, ist dagegen nicht so einfach. Die Herstellerangabe des Leergewichts lautet auf 1745 Kilogramm, die Kfz-Zulassung des Testwagens spricht von 1904 Kilo. Blieben bis zu dem im Datenblatt ausgewiesenen erlaubten Gesamt-Höchstgewicht nur 146 Kilo. Überdurchschnittliche Leibesfülle von Insassen könnte also Probleme nach sich ziehen.


Fazit: Dem englischen Edelmann steht die Rolle des rassigen Roadsters sehr gut. Hochwertige Ausstattung in Verbindung mit erstklassigen Fahrleistungen weiß eine betuchte Klientel weltweit zu schätzen. Die Assistenzsysteme sind vollständig, wenn auch gegen Aufpreis zu haben, und zwischen komfortabel bis hochdynamisch deckt der Wagen alle gewünschten Eigenschaften ab. Schade nur, dass wegen der hohen Kosten nur wenige davon profitieren werden.




Quelle: n-tv.de
Autor: Axel F. Busse
19.10.2015
XJ 8 Sovereign 4L / 2001
Where ignorance is bliss, 'tis folly to be wise.

Antworten