Eifel statt England - Der Nürburgring als das Maß der Dinge

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Eifel statt England - Der Nürburgring als das Maß der Dinge

Beitrag von Cpt. Jag » Di 05 Jul, 2016 08:24

Ihre Heimat ist England, doch ihren Feinschliff bekommen die Autos von Jaguar und Land Rover in der Eifel. Kaum ein anderer ausländischer Hersteller testet so intensiv auf und um den Nürburgring wie die Briten.

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Nein, mit dem Brexit hat diese Geschichte ausnahmsweise nichts zu tun. Zwar wäre das Testcenter von Jaguar und Land Rover am Nürburgring ein schöner Beleg dafür, wie die englische Industrie dem eigenen Land den Rücken kehrt. Doch sind die Briten dem spröden Charme der Eifel schon viel länger erlegen. Denn wie alle anderen Autohersteller testen auch sie auf der Nordschleife und um die Rennstrecke herum ihre Prototypen auf Herz und Nieren, bevor sie ihnen die Serienfreigabe erteilen. Nur dass sie damit schon etwas früher angefangen haben und dabei deshalb ein bisschen sesshafter geworden sind.

Statt wie mit einem Zirkus auf Test-Tournee zu gehen und sich jede Saison neu in einer Werkstatt einzumieten haben sie vor über zehn Jahren als erster ausländischer Hersteller ein eigenes Testzentrum am Nürburgring eröffnet. "Nicht umsonst haben wir buchstäblich die erste Adresse im Gewerbepark Meuspath und sind damit noch ein paar Meter näher an der Zufahrt zur Nordschleife als die Kollegen von Aston Martin, General Motors oder all die anderen Hersteller und Zulieferer im Umfeld der Grünen Hölle", sagt Phil Talboys.


Besser gesichert als Fort Nox

Er ist Hausherr über ein Gebäude, das zwar kaum größer und repräsentativer aussieht als ein gewöhnliches Autohaus, das aber besser gesichert ist als Fort Nox – und das vor allem keine großen Schaufenster hat. Schließlich parkt in den Werkstätten im Erdgeschoss oft die gesamte Zukunft der beiden Marken: Zwei, drei, manchmal sogar vier Jahre vor ihre Premiere gehen die kommenden Modelle von hier aus als wild getarnte Prototypen auf Testfahrt.

Das ist zwar im winterlichen Arjeplog nicht anders und auch nicht in Arizona, in der Wüste von Dubai, an den steilen Bergpässen in den Alpen oder in der Gluthitze des spanischen Hochsommers. Doch nirgends ist die Konzentration an Prototypen und Testfahrern so hoch wie in der Eifel und nirgendwo stehen sie dabei so sehr im Fokus der Öffentlichkeit. Schließlich fasziniert der Nürburgring nicht nur die Tester, sondern auch die Benzinjunkies aus aller Welt, so dass eigentlich immer und überall Zuschauer stehen und Kameras klicken.

Dass dennoch viele Hersteller herkommen, erklärt Talboys mit den perfekten Möglichkeiten, die der Ring bietet. Nicht nur als Rennpiste, sondern vor allem als Marterstrecke für die härteste Form der Materialerprobung. Natürlich geht es den Briten bei manchen Modellen um minimale Zeiten. Erst recht, wenn die schnelle Truppe von der Special Vehicle Operations, der englischen Antwort auf AMG & Co ihre Finger im Spiel hat. Nicht umsonst haben sie deshalb den Range Rover Sport SVR als schnellstes Serien-SUV auf der Nordschleife bejubelt und den neuen F-Type SVR öfter durch die Grüne Hölle getrieben als jedes andere Auto.


Es ist nicht alles Raserei

Doch Talboys will die Arbeit nicht nur auf die Raserei reduziert wissen. "Schon als der Nürburgring 1927 eröffnet wurde, war er als Gebirgs-, Renn- und Prüfungsstrecke gedacht. Und genauso nutzen wir ihn noch heute", sagt der Ingenieur und rechtfertigt damit, weshalb sich auch ein Land Rover Defender oder ein Jaguar XJ auf der Nordschleife bewähren müssen. Nirgendwo sonst werden Autos in so kurzer Zeit so stark belastet wie dort. Deshalb kann man auf dieser Runde in wenigen Tagen ein ganzes Autoleben simulieren und sich am Ende sicher sein: Was in der Grünen Hölle hält, das wird auch im echten Leben nicht so schnell kaputtgehen. Kein Wunder also, dass jeder Prototyp allein für den Dauerlauf 390 Runden drehen muss und so am Ende der Saison schnell mal 4000 oder 5000 Höllentrips auf der Nordschleife zusammenkommen.

Aber es ist nicht nur der Ring allein, der die Engländer in die Eifel lockt. Mindestens genauso wichtig sind ihnen die vielen einsamen Nebenstraßen rund um das Gelände, auf denen sie genau wie die Kollegen von A wie Audi bis V wie Volvo ihre festgelegten Runden haben. Und wenn es mal richtig schnell sein muss, ist die Nordschleife ohnehin nicht ihre erste Wahl: Ja, man kann auf der Döttinger Höhe auch mal 300 oder mehr fahren, plaudert Talboys aus dem Nähkästchen. Aber wenn man mit einem Auto wie dem F-Type SVR lange Zeit ein hohes Tempo halten will, muss man aufs Highspeed-Oval ins italienische Nardo – oder auf eine deutsche Autobahn ohne Tempolimit. Schließlich ist der Sportwagen mit 575 PS und 322 km/h Höchstgeschwindigkeit nicht nur der bislang stärkste Jaguar in der Modellgeschichte, sondern auch der schnellste. "Es ist deshalb ein Segen, dass es hier auch noch ein paar freie Autobahnabschnitte gibt", freut sich Talboys mit einem schelmischen Grinsen."


Als Co-Pilot durch die Grüne Hölle

Man muss allerdings weder Testfahrer noch PS-Profi sein, wenn man wissen will, wie höllisch die Grüne Hölle in einem Auto wie dem F-Type SVR tatsächlich sein kann. Denn seit ein paar Tagen gibt es dieses Erlebnis für Jedermann - als Co-Pilot mit einem Instruktor der Nürburgring GmbH. Denn die Chefs der Rennstrecke haben die Briten als offiziellen Partner für ihre Passagierfahrten gewählt und schicken ihre Kunden jetzt für 295 Euro pro Runde mit Highspeed in die Hölle. Stilecht gekleidet im Rennanzug mit Helm, Hosenträger-Gurten und Hans-System werden sie auf dem Beifahrersitz festgeschnallt und können dann erleben, wie die 33 Links- und 44 Rechtskurven auf dem knapp 21 Kilometer langen Kurs im Zeitraffer auf sie zufliegen.

Am Steuer sitzen dabei Instruktoren wie Andreas Gülden, der den Ring nach zigtausend Runden besser kennt als seine Westentasche. Und der genau weiß, wie weit er mit seinen Passagieren gehen kann. Denn einerseits ist Gülden stolz darauf, dass er – zumindest von innen – noch nie sein Auto putzen musste. Aber andererseits kann er mit dem Gasfuß die Gesichtsfarbe seiner Co-Piloten fast nach Belieben variieren und das Erlebnis für die Mitfahrer so weit maximieren, dass sie am Ende der Runde gerade noch mit einem Lächeln aus dem Auto klettern – und danach schnurstracks ins nächste Gebüsch rennen.


Quelle: n-tv.de
Autor: hpr/sp-x
03.07.2016
XJ 8 Sovereign 4L / 2001
Where ignorance is bliss, 'tis folly to be wise.

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