Jaguar XE - Dieses Alu-Auto ist eine technische Revolution

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Cpt. Jag
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Jaguar XE - Dieses Alu-Auto ist eine technische Revolution

Beitrag von Cpt. Jag » Mo 02 Feb, 2015 08:45

Als erstes Fahrzeug der Mittelklasse hat der Jaguar XE eine komplett aus Alu gefertigte Rohkarosserie, die nur 251 Kilo wiegt. Dass die Briten schaffen, was Audi nicht glückte, hat mehrere Ursachen.

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Es ist fast wie in dieser amerikanischen TV-Show "The Biggest Loser", bei der es nur darum geht abzunehmen. Wenn Projektleiter Jonathan Darlington über den neuen Jaguar XE spricht, dann redet er vor allem vom Gewicht. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er bereit ist, den Kampf gegen jedes überflüssige Kilogramm aufzunehmen, bei seinem Auto.

Das Gewicht ist zum größten Gegner der Automobilentwickler geworden. Und wenn Jaguar im Juni zum ersten mal nach sechs Jahren Pause wieder eine Mittelklasselimousine gegen Audi A4, BMW 3er und Mercedes C-Klasse ins Rennen schickt, will Darlington der Biggest Loser sein.

Den Stückzahlen der deutschen Premiumhersteller sind die Briten trotz eines Aufwärtstrends nicht gewachsen. Und was Antrieb und Ausstattung angeht, wäre es ein Erfolg, wenn sie ebenbürtig wären. Aber zumindest bei der Bauweise will Jaguar einen neuen Maßstab setzen.

"Der XE ist das leichteste Auto im Segment", prahlt Jaguar-Manager Darlington. Es geht weniger um den Superlativ allein. Mit dem Gewicht sinkt auch der Verbrauch, und es steigt, für eine Marke wie Jaguar prestigeträchtig, der Fahrspaß.


Vorreiter in seiner Klasse
Denn je leichter ein Auto ist, desto weniger können ihm Flieh- und Schwerkraft etwas anhaben und desto leichter bekommt man es um die Kurven. Dem Design hilft so eine Diät obendrein. So steht die 4,67 Meter lange Limousine rank und schlank auf dem Parkplatz wie ein englischer Windhund in der Startbox.

Dass der XE im günstigsten Fall nur 1475 Kilo wiegt, verdankt er einer technischen Revolution: Als erstes Fahrzeug dieser Klasse hat er eine komplett aus Aluminium gefertigte Rohkarosserie, die nur 251 Kilo auf die Waage bringt. Diese Verschlankung beherrscht Konkurrent Audi zwar auch; die Bayern sind seit dem A8 aus dem Jahr 1994 als Aluminium-Pioniere bekannt.

Doch der Versuch, diese Leichtbaukonstruktionen in großen Stückzahlen anzuwenden, misslang bei ihnen mit dem A2 vor zehn Jahren gründlich, das Auto floppte. Mittlerweile haben die Entwickler umgeschwenkt, und der zuständige Vorstand Ulrich Hackenberg favorisiert jetzt die "intelligente Mischbauweise".

Von einem reinen Alu-Auto neben dem A8 ist in Ingolstadt zwar keine Rede mehr. Zu teuer der Einkauf, zu langwierig die Produktion und zu schwierig die Verzahnung mit den Baukästen des Konzerns – das dürften die wichtigsten Gründe für diese Entscheidung sein. Doch der Aluminiumanteil in den einzelnen Baureihen steigt mit jedem Generationswechsel.


Über 600 Roboter sind am Werk
Dass die Briten schaffen, was Audi offenbar nicht geglückt ist, hat mehrere Ursachen. Sie reklamieren für sich nicht nur die längere Erfahrung im Umgang mit Aluminium, weil schließlich schon der erste Defender der Schwestermarke Land Rover vor mehr als 60 Jahren aus Alu-Blechen zusammengenietet wurde.

Sie haben die Technik mittlerweile auch auf zahlreiche Baureihen übertragen. Zwei Range-Rover-Modelle und die gesamte Jaguar-Modellpalette werden heute aus Aluminium hergestellt. Jede Baureihe für sich genommen mag nach den Maßstäben der deutschen Hersteller eine Kleinserie sein. Zusammen genommen ergibt das trotzdem knapp 170.000 Autos im Jahr. "Kein anderer europäischer Hersteller baut so viele Fahrzeuge aus Aluminium wie wir", sagt Firmenchef Ralf Speth.

Dabei hat die Mannschaft viel Expertise gewonnen, was jetzt erst den XE möglich gemacht habe, sagt Projektleiter Darlington. 2700 Nieten, kiloweise Luftfahrtkleber und über 600 Roboter wurden für die Produktion angeschafft: "Gemessen am XJ fertigen wir die Rohkarosse des XE mittlerweile dreimal so schnell."

Das erhöht die Kapazität und senkt zugleich die Kosten. Trotzdem ist es ein Unterschied, ob ein Hersteller geschätzte 50.000 XE im Jahr aus Aluminium baut (eine genaue Stückzahl will Jaguar noch nicht verraten) oder ob man mehrere Hunderttausend Fahrzeuge wie jeweils BMW, Audi oder Mercedes in einem solchen Prozess fertigt.


Alu seit Jahren im Kommen
Egal, ob Vollaluminiumkarosserie oder Mischbauweise: Wenn jeder Autobauer die Kilos zählt und schon vergleichsweise kleine Marken wie Jaguar und Land Rover allein 150.000 Tonnen Alublech im Jahr einkaufen, ist das für die Zulieferer ein gutes Geschäft.

Die Prognosen sind vielversprechend: Lag der Aluminiumanteil bei Fahrzeugen europäischer Produktion 1978 bei 32 Kilogramm und 2002 schon bei 120 Kilo, soll er 2015 im Durchschnitt auf 160 Kilo anwachsen, schätzt der Gesamtverband der Aluminiumindustrie (GDA) in Düsseldorf und rechnet danach ebenfalls mit einem steilen Anstieg der Kurve.

"Im Hinblick auf die strengen CO2-Grenzwerte verstärken die Fahrzeughersteller ihre Leichtbauanstrengungen und kommen so speziell in der Karosserie zu entsprechend höheren Aluminiumanteilen", sagt GDA-Geschäftsführer Christian Weller. Aber das Wettfasten in Europa ist nichts gegen die Schlankheitskur, die sich zurzeit die amerikanische Automobilindustrie verordnet hat. So hat Ford ausgerechnet den rustikalen Pick-up F150 mit dem Generationswechsel auf eine Aluminiumkarosserie umgerüstet. Als meistverkauftes Auto der USA verschlingt seine Produktion mehr Leichtmetall als die Aluminiumautos der europäischen Hersteller zusammen.


Kleine Stückzahlen bringen CO2-Bonus
Das sei für die Aluminiumindustrie die beste Nachricht, seitdem Coca Cola und Pepsi 1967 die Alu-Dose eingeführt hätten, jubelten die Tageszeitungen in Detroit. Und auch hier dürfte der Boom nicht abebben.

"Wir rechnen mit einer Reihe von Folgemodellen bei Ford und mit einer entsprechenden Reaktion bei General Motors und Chrysler", sagt Dietrich Wieser vom Zulieferer Alcoa. "Alle Alu-Hersteller investieren deshalb gerade massiv in ihre Produktionskapazitäten."

Natürlich ist Leichtbau auch entscheidend für einen möglichst niedrigen Verbrauch. Und ohne die Alu-Konstruktion hätte Jaguar den XE mit dem 163 PS starken Basisdiesel kaum auf die respektablen 3,8 Liter bekommen, die jetzt als Normverbrauch im Datenblatt stehen.

Doch auch in dieser Disziplin gereicht den Briten ihre geringe Auflage zum Vorteil: Zwar kommen sie 2014 auf weltweit 462.678 Fahrzeuge. Doch alles unter 300.000 europäischen Neuzulassungen im Jahr gilt Brüssel als Kleinserienhersteller und wird mit einem CO2-Bonus belohnt. Während Mercedes oder BMW bis 2021 auf einen Durchschnittswert von 95 g/km kommen müssen, fordern die EU-Kommissare von den Briten nur 135 g/km als Flottenverbrauch ein.


Rückzieher für besseres Handling
Dass sie trotzdem um jedes Kilo und jedes Gramm bei den Abgasen ringen, liegt am großen Durst von Range Rover und anderen großen SUV-Modellen, die ihnen andernfalls die Statistik verhageln würden. Und es liegt an den kritischen Fuhrparkchefs, die in der Klasse des XE zu den wichtigsten Kunden zählen.

Wenn das Einstiegsmodell dort punkten soll, müssen nicht nur der Preis (ab 36.500 Euro), die Leasingraten und die Serviceleistungen (drei Jahre Garantie und Inspektion) stimmen, sondern eben auch Verbrauch, Steuer und CO2-Ausstoß.

Für Projektleiter Darlington ist der Leichtbau nicht nur eine Frage der Vernunft, sondern des Vergnügens. "Das Handling eines Sportwagens und den Komfort einer Limousine", beschreibt der Ingenieur die zwei Extreme, die er mit der Alu-Konstruktion verbunden haben will.

Das war ihm so wichtig, dass er für die ausgeglichene Balance des Wagens sogar ein paar Alu-Elemente im Heck nachträglich wieder durch Stahlstreben ersetzte, wodurch das Gewicht wieder zulegte: "Aber so kommen wir auf eine Gewichtsverteilung von beinahe 50:50", sagt der Projektleiter. Die Hälfte auf der Vorderachse, die Hälfte auf der Hinterachse. Beste Voraussetzung für gutes Handling.


Abstriche im Detail
Die Mühe hat sich gelohnt. Denn bei der ersten Testfahrt macht der XE einen guten Eindruck. Man kann mit ihm so gelassen und gelangweilt durch die Gegend gondeln, wie es sich für einen Kilometerfresser im Firmenfuhrpark und eine vernünftige Familienlimousine gehört. Aber der Jaguar lässt sich auch sehr viel engagierter bewegen, vor allem im Sportmodus.

Die Auswahl der Motoren reicht zum Start vom 163-PS-Diesel bis zum V6-Kompressor mit 340 PS. Demnächst wird es noch eine Sportversion mit einer Spitzengeschwindigkeit von 300 km/h geben. Andere Errungenschaften wie das gestochen scharfe Head-up-Display mit Lasertechnik und das moderne Infotainmentsystem mit Apps werden genauso nebensächlich wie das eher bescheidene Platzangebot auf der Rückbank, der allenfalls durchschnittliche große Kofferraum oder die mäßige Auswahl der Materialien, bei denen es im Gepäckabteil nicht einmal für eine komplette Verkleidung gereicht hat.

Das dürfte vor allem am Kosten- und Konkurrenzdruck liegen. Oder eben am Leichtbau, für den man auch an Kleinigkeiten sparen muss, wenn man sich als Biggest Loser behaupten will. Zumal die Konkurrenz nicht schläft.


Quelle: © WeltN24 GmbH 2015
01.02.2015
XJ 8 Sovereign 4L / 2001
Where ignorance is bliss, 'tis folly to be wise.